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Positionen Ü+ beim BDA Köln

12. Februar 2018

Das BDA Montagsgespräch diskutiert generationsübergreifend Modellversuche und Architektenselbstbildnisse. Ein Nachbericht:

Zu einem Gespräch „Ü +“ lud der BDA Köln Mitte Januar im Rahmen seiner Serie Positionen ins Domforum ein. Eingeladen waren Christian Schaller (*1937), Walter von Lom (*1938) als ältere und Jörg Leeser (BeL Architekten, *1967) als „junger“ Architekt. Ihr generationenübergreifender Dialog über exemplarische Werke und die Rolle von Architekten im Diskurs um Stadtgestaltung und Baukultur wurde zu einer lebendigen Diskussion von heute noch oder wieder relevanten Entwurfsideen und aktuellen Problemen von Stadt und Städtebau.

In dubio pro urbem

Christian Schaller, als Mitbegründer des schon fast legendären design teams 8 (dt8, 1970 – 1995), erläuterte das Wohnprojekt „Am Wäldchen“ in Meckenheim-Merl (1974) und die Planungen für das Gelände der ehemaligen Schokoladenfabrik Stollwerck im Kölner Severinsviertel in den 1980er Jahren. Bei der Merler Siedlung legten die Architekten von dt8 – wie vorher schon das Schweizer Büro atelier 5 bei seinen wegweisenden Siedlungsplanungen – unter anderem besonderen Wert auf die Vorstrukturierung von „Kontaktzonen“ zwischen privaten und öffentlichen Bereichen. Beim Ausbau und Neubau des heftig umstrittenen und zeitweise besetzten Stollwerck-Geländes konzipierte dt8 unter dem Einfluss von Jane Jacobs’ Schrift über „Tod und Leben amerikanischer Städte“ ein gemischtes Gebiet. Drei Maßgaben seien es gewesen, so Schaller, dass zwischen freiem und sozialem Wohnungsbau kein formaler Unterschied zu sehen sein sollte, dass eine innerstädtische Blockrandbebauung statt suburbaner Figuren und dass eine organische Verbindung von Alt- und Neubau entstehen sollte. Die Architekten entwarfen im Altbau Maisonettewohnungen zum „Durchwohnen“ und – zusammen mit den Ex-Hausbesetzern – gestapelte Selbstbauhäuser mit großen Gemeinschaftsräumen. Als Neubauten entstanden Wohngassen mit Hausgärten, die in der Außen- und Innenraumgestaltung weitgehend frei waren.

 

Christian Schaller, Raumstudien zur Siedlung am Wäldchen, Meckenheim-Merl, 1974

 

Zu diesen partizipativen Wohnbauideen passte Jörg Leesers Darstellung des Hamburger Selbstbauprojekts Grundbau und Siedler, das bei der Hamburger IBA 2013 Möglichkeiten des Selbstausbaus erprobt hat. Leeser zeigte auch das Projekt Aleppoer Weg, mit dem BeL bei der Biennale eine urbane Verdichtung mit verschiedenen Stadttypologien verbunden haben, ein kooperatives Werkstattverfahren in Köln-Kalk und schließlich den Ausbau der sogenannten Esso-Häuser auf Sankt Pauli, der nach einem Bürgerbeteiligungsverfahren durch die Planbude einen hochverdichteten Stadtbaustein mit typischen Paulianer Strukturen zu kombinieren versucht.

Walter von Lom beschränkte sich in seinem Werkvortrag auf die erste Hälfte seiner Schaffenszeit. Einflussreiche Lehrer – Rudolf Steinbach, Fritz Eller und Gottfried Böhm – eröffneten ihm eine komplexe Architekturauffassung, die durch eine intensive Tätigkeit bei Joachim Schürmann angereichert wurde: „Der Inhalt des Gebäudes muss erkennbar sein, der Charakter des Bauherrn und des Architekten aber auch“, umschrieb von Lom seine Auffassung. 1972 machte er sich selbständig und gewann 1975 einen damals wegweisenden Wettbewerb um die behutsame Gestaltung der historischen Innenstadt von Lemgo. Mit dem eigenen Haus in der Kölner Altstadt gelang ihm zudem der Nachweis, wie sich mit zeitgenössischen Formen auch in historischer Umgebung auf hohem Niveau bauen ließ – ein Thema, das seine weitere Karriere immer wieder begleitet hat. Mit Altenzentren in Viersen und Köln und den Neubauten für das Freilichtmuseum in Kommern zeigte der Architekt weitere Beispiele seiner frühen architektonischen Entwürfe, die immer den Geist des Ortes und damit die Bedürfnisse von Stadt und Landschaft berücksichtigt haben.

In der anschließenden Diskussion waren sich die Architekten darüber einig, dass die Baukultur insbesondere durch die „Entpersönlichung“ des Bauherrn gelitten habe: Früher seien dialogische Entwicklungen mit Bauherren möglich gewesen, die lebensreformerische Ansätze der Architektur ermöglicht hätten. Dabei sei eine Form „rheinischer Sondermoderne“ (Leeser) entstanden, die sich durch die obligatorische Auseinandersetzung mit dem Ort ergeben hätte. Von Lom verwies wiederum auf die Notwendigkeit einer anderen Bodenpolitik, die derzeit allein durch Kapitalinteressen gesteuert sei. Ergänzend erklärte Schaller, dass die größere Differenzierung der Stadtgesellschaft auch eine höhere typologische Vielfalt erlange, die unter herrschenden Verhältnissen nicht oder nur selten durchzusetzen sei. Schuld am Mangel guter Ideen, die vor allem den Faktor Zeit zu ihrer Verwirklichung bräuchten, sei insbesondere die mangelnde Kontinuität im politischen und im Verwaltungshandeln, fügte Reinhard Angelis, Vorsitzender des BDA Köln, hinzu. „Das politische Denken in Legislaturperioden erzeugt keinen Städtebau“, sagte am Ende Walter von Lom. Dem folgte anhaltender Applaus.

Andreas Denk